Gute Führung braucht beides: den klugen Umgang mit Emotionen und die Wirkkraft unseres Verstandes. Doch wer heutzutage immer noch meint, ohne die Tatkraft der Emotionen auskommen zu können, der wird das wahre Potenzial seiner Mitarbeitenden nie zur Gänze zur Entfaltung bringen.
„Ja, auch bei uns im Vorstand wird es akzeptiert, wenn einer sagt, mein Bauchgefühl sagt dies und das.“ Kaum zu glauben, aber wahr. Das sagt nicht irgendein Manager aus dem Mittelbau eines x-beliebigen deutschen Unternehmens oder ein toll gewordener Motivationstrainer mit dem Hang zum Größenwahn, sondern Daimler-Vorstandschef Ola Källenius. Noch eine weitere Kostprobe aus seinem Mund macht den anstehenden Kulturwandel im
Management deutlich. Aus seiner Sicht werde Fachwissen immer kurzfristiger und somit unbedeutender. Um wirklich innovativ sein zu wollen, muss also ein Umdenken stattfinden, ein emotionaler Ruck muss den althergebrachten Glauben an die alleingültige Kraft des analytischen Denkens und Entscheidens vom Sockel stoßen.
Fachwissen wird immer kurzfristiger und unbedeutender
Kurzum: Wer den Zugang zu seiner intuitiven Tatkraft verliert, der hat zukünftig verloren. Das heißt konkret: emotionale Stellschrauben wie Instinkt und Intuition sind wichtige Schlüsselqualifikationen von Managern und Mitarbeitern. Das heißt jedoch nicht im Umkehrschluss, dass die klassische Expertenausbildung ausgedient hat. Keineswegs. Es geht vielmehr um eine leistungsfähige Balance aus Ratio und Emotion. Dabei setzt sich immer mehr die Erkenntnis durch, dass Führung im heutigen Spannungsfeld einer immer komplexer werdenden Arbeitswelt ein Bewusstsein für ein hohes Maß an emotionaler Kompetenz braucht. Gute und vor allem erfolgreiche Führung wird zunehmend daran festgemacht, wie es eine Führungskraft schafft, ein Arbeitsklima zu kreieren, das allen Mitarbeitern genügend kreativen Entfaltungsspielraum bietet. Nur wenn das Gefühl einer sinnhaften Selbsttätigkeit für jeden Einzelnen greifbar und erlebbar wird, fühlt sich der Mitarbeiter am richtigen Platz und kann auch bestmöglich seine Stärken einbringen.
Dies belegt auch die aktuelle Forschung eindrucksvoll. Die Wissenschaftlerin Fabiola Gerpott, im Leadership Lab der Vrijen Universität Amsterdam tätig, hat Lerngruppen bei einem großen deutschen Automobilhersteller untersucht. Diese Teams haben sich zur Aufgabe gemacht, kontinuierliche Verbesserungen zu erarbeiten und diese in praxisnahe Lösungen zu transformieren. Die Gretchenfrage lautete: Was genau unterscheidet erfolgreiche Teams von weniger erfolgreichen? Drei zentrale Erkenntnisse fallen hierbei ins Auge:
Vertrauen, Sicherheit und Wertschätzung performen besser
1. Nur wenn es Teams schaffen, einen Arbeitsrahmen zu kreieren, der Vertrauen und Sicherheit stiftet, können mehr Informationen genutzt werden und bessere Ergebnisse generiert werden. Das heißt im Klartext: Nur wenn sich jeder Einzelne sicher ist, dass er seine eigene Meinung offen und ehrlich im Team äußern darf, ohne Gefahr zu laufen, dafür anzuecken oder ausgelacht zu werden, bringt jeder sein volles Potenzial ein. Der Erfolgsfaktor „Vertrauen“ firmiert in der Forschung unter dem Begriff „Psychological Safety“. Es klingt banal und ist doch so essentiell zentral:
Vertrauen, Sicherheit und Wertschätzung sind die wichtigsten psychologischen Zutaten für einen potenziellen Teamerfolg. Nur wenn es gelingt, konstruktive Kritik frei zu äußern, also Dinge anzusprechen, die momentan nicht wirklich rund laufen, steigt die Chance im Team, Lösungen zu finden, die die Organisation spürbar weiter bringen. Kurzum: Die Wahrscheinlichkeit erhöht sich, zukünftig weniger Fehler zu machen und somit das Unternehmen erfolgreicher zu gestalten.
2. Empathie aufbringen, heißt, sich im Team wirklich auf den anderen Teilnehmer gefühlsmäßig einzulassen und ihn da geistig abzuholen, wo er gerade ist. Was nichts anderes heißt als: Mehr Empathie wagen, statt starrer Hierarchie zu ertragen.
3. Ein hoher Frauenanteil sorgt für positive Teamimpulse, was größtenteils auf eine statistisch nachweisbare höhere Sozialfertigkeit von Frauen zurückzuführen ist.
In Summe heißt das, dass die Leistungsfähigkeit eines Teams im hohen Maße erst auf kollektiver Ebene funktioniert.
Selbstorganisation braucht nicht weniger, sondern mehr gutproportionierte Führung
Tatsache ist aber auch: nur die wenigsten Teams schaffen es aus eigener Kraft, einen möglichst hohen Grad an „Psychological Safety“ im eigenen Team sicherzustellen. Deshalb kommt der Teamführung eine besondere Schlüsselrolle zu.
Der Führungskraft kommt vor allem die Aufgabe zu, eine wertschätzende und beitragsfördernde Haltung bei allen Teamplayern sicherzustellen. Das Ziel guter Führung sollte es hier unbedingt sein, die Hürden für die individuelle Beteiligung soweit wie möglich herabzusetzen und selbst mit gutem Beispiel voranzugehen. Ergebnisorientierte Führung zeigt sich also vor allem darin, dass für alle Teammitglieder ein Arbeitsrahmen geschaffen wird, in dem sich jeder wertgeschätzt und willkommen fühlt. Diese innere Führungshaltung zeigt sich dann auch konkret darin, dass alle Mitarbeiter sich aktiv an Diskussionen beteiligen und gemeinsame Entscheidungen treffen.
Als Resultatsatz ließe sich nun festhalten: Kluge Entscheidungen verlangen eine ausgewogene Mischung aus emotionaler und kognitiver Kompetenz.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen viel Freude beim Ausprobieren,
herzliche Grüße,
Achim Neubarth
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